Bombshell – Das Ende des Schweigens

Land: USA/Kanada 2019  Regie: Jay Roach  Dauer: 118 min.  Mit: Charlize Theron, Nicole Kidman, Margot Robbie, John Lithgow  Label: Eurovideo  : 4.6.2020  FSK: 12 – Ein Beitrag von Julian Dax:

© Eurovideo

 

Während momentan Harvey Weinstein der Prozess wegen einer ganzen Reihe sexueller Übergriffe auf junge, wehrlose Frauen gemacht wird, greifen Regisseur Jay Roach und Drehbuchautor Charles Randolph mit Bombshell – Das Ende des Schweigens einen ähnlich gelagerten Sexskandal auf, der bereits ein Jahr vor der Causa Weinstein an die Öffentlichkeit gelangte; es geht um die Machenschaften von Roger Ailes, dem Chef des erzkonservativen Senders Fox News in den USA, der am Ende zwar nicht vor Gericht gestellt wurde, doch immerhin seinen Hut nehmen musste.

Megyn Kelly (Charlize Theron) ist eines der Aushängeschilder des Nachrichtensenders Fox News, und in jeder Beziehung entspricht sie dem Idealbild einer investigativen Journalistin, wie sie sich ihr mächtiger Chef Roger Ailes (John Lithgow) vorstellt: blond, attraktiv, sexy, denn, wie Aisles immer wieder betont: „Fernsehen ist ein visuelles Medium.“ Als sich die Starmoderatorin vor laufender Kamera während des Wahlkampfes 2016 mit Kandidat Donald Trump wegen dessen Frauenbild aus dem Neandertal anlegt, wird sie zurückgepfiffen. Ailes betrachtet Trump als persönlichen Freund, und dazu kommt, dass dieser unsägliche Krawallkandidat dem Sender auch noch regelmäßig Topquoten beschert.

Die zweite Journalistin, die man kennen lernt, ist Gretchen Carlson (Nicole Kidman). Auch sie, eine ehemalige Miss America, ist attraktiv, wenn auch bereits länger im Geschäft und somit – wenigstens nach Meinung inres Chefs – trotz ihrer nach wie vor vorhandenen Popularität – eigentlich schon über ihrem „Verfallsdatum“. Noch schlimmer: Für Ailes ist sie auch noch eine Feministin, und so wird ihr Vertrag unter fadenscheinigen Behauptungen nicht verlängert. Gretchen beschließt, ihr langjähriges Schweigen zu brechen und Roger Ailes wegen sexueller Belästigung anzuzeigen. Zunächst scheint sie auf verlorenem Posten zu stehen – Solidarität wird unter den bei Fox News beschäftigten Frauen nicht gerade groß geschrieben – doch allmählich findet sie Mitstreiterinnen. Und auch die junge, ehrgeizige Kayla Pospisil (Margot Robbie) fängt an, sich Gedanken zu machen, ob man für die Karriere seine Seele opfern sollte…

Theron, Kidman, Robbie – was für eine Besetzung! Auch wenn die drei Spitzendarstellerinnen nur eine einzige Szene zusammen haben – eine stumme Fahrt mit dem Aufzug – ist jede einzelne ihr Geld mehr als wert. Und die sehr große Stärke des Drehbuchs liegt vor allem auch darin, dass es sich nicht nur auf einen einzigen Blickwinkel beschränkt, sondern gleich drei Perspektiven einnimmt, die nicht unbedingt deckungsgleich sind. „Megyn Kelly ist sozusagen das erzählerische Zentrum des Films, mit ihr tauchen wir in diese Welt ein“, sagt Autor Charles Randolph. „Gretchen ist der moralische Mittelpunkt, quasi unsere Heldin, und Kayla das Herz – mit ihr identifizieren wir uns. Ihre Geschichte ist jene, die am seltensten erzählt wird; wie sie nachgibt, mitspielt und was das aus ihr macht. Diese Last mochte ich keiner lebenden Person aufbürden, deshalb ist Kayla Pospisil von den dreien die einzige fiktive Figur.“

Und sie hat auch die mit Abstand stärkste Szene in Bombshell: Bei ihrem Vorstellungsgespräch bei Aisles trägt sie zwar das von ihm an Frauen bevorzugte Kleidungsstück –  ein super kurzes, schlauchartiges Stretchkleid – möchte mit ihm jedoch über ihre neue Aufgabe beim Sender sprechen. Stattdessen muss sie sich vor ihn stellen, sich einmal um die eigene Achse drehen und dann ihr Kleid immer weiter nach oben ziehen. Erst als ihr Slip sichtbar wird, ist ihr Boss zufrieden. Und das ganze Ausmaß an Demütigung und Verstörung in Robbies Gesicht überträgt sich unmittelbar auf den Zuschauer und lässt ihn beinahe schon schmerzhaft miterleben, was sich in ihrem Kopf abspielt und sich fragen, wie sie dieses Erlebnis wohl verarbeiten wird.

Doch trotz dieser besonders eindrucksvollen Einzelszene muss man Bombshell als großartige Ensembleleistung bezeichnen; keine der Darstellerinnen verliert das eigentliche Thema aus den Augen, die entwürdigende Behandlung von Frauen im Berufsleben.

Noch jemand allerdings verdient mehr als nur eine lobende Erwähnung: Für einen mittelmäßigen Schauspieler wäre es ein Leichtes gewesen, Roger Aisles als fettes, fieses, geiles Monstrum zu spielen (Spitzname bei Fox: „Jabba The Hut“), doch John Lithgow ist bekanntlich ein äußerst präziser und uneitler Darsteller. Bei seinen eigenen Recherchen musste er feststellen, dass Aisles auch durchaus positive Eigenschaften besaß; Humor, Warmherzigkeit sogar Güte gehörten ebenfalls zu seinem widersprüchlichen Charakter, und genauso mehrdimensional legt ihn Lithgow auch an.

Einen Kritikpunkt allerdings muss sich Bombshell gefallen lassen; da es zu Beginn (auch) um Donald Trump und dessen unsägliches und unterirdisches Gebaren gegenüber Frauen geht, könnte man erwarten, dass auch dieser Aspekt in irgendeiner Form weitergeführt wird. Doch das ist nicht der Fall – Trump wird im Rest des Films überhaupt nicht mehr erwähnt. Andererseits hätte dieser Handlungsstrang das eigentliche Anlliegen von Bombshell wohl zu sehr verwässert und den Film nur unnötig verlängert. So wie er ist, zeigt sich der Film als hoch intelligente, sowohl rationale als auch sehr emotionale Abrechnung mit dem alltäglichen Sexismus und lädt zu weiteren anregenden Diskussionen ein. Ganz großes Kino!

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7 Antworten zu Bombshell – Das Ende des Schweigens

  1. ainu89 schreibt:

    Ich fand den Film damals im Kino auch wirklich großartig…ich war danach so sauer auf das ganze System und alles, dass ich am liebsten gleich auf die Barrikaden gegangen wäre…und das schafft nicht jeder Film, mich emotional so zu packen

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