Joe gegen den Vulkan

Land: USA 1990  Laufzeit: 102 min.  Regie: John Patrick Shanley  Mit: Tom Hanks, Lloyd Bridges, Meg Ryan, Abe Vigoda  Label: Plaion, FSK: 6 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

© Plaion

Alle Beteiligten kamen von großen Erfolgen: Regisseur und Autor John Patrick Shanley hatte den Oscar für sein Drehbuch zu Norman Jewisons „Moonstruck“ (1987) erhalten. Tom Hanks war mit dem Erfolg von Penny Mashalls „Big“ (1988) zum kreditwürdigen Star geworden. Meg Ryan war 50% des Riesenhits „Harry und Sally“ (1989) von Rob Reiner. Und über das Produzententrio Kathleen Kennedy, Frank Marshall und Steven Spielberg braucht man sowieso kein Wort mehr verlieren. Was also hätte schiefgehen können?

Einfachste Antwort: Alles. „Joe gegen den Vulkan“ (1990) erfüllte schlicht niemandes Erwartungen, ganz gleich wie die auch ausgesehen haben mögen. Er war keine Romcom wie „Harry und Sally“, kein infantiler Spaß wie „Big“, kein Melodram wie „Moonstruck“ (1987) und unter dem albernen Titel – ausnahmsweise keine Erfindung des deutschen Verleihs, sondern eine eins-zu-eins-Übersetzung des Originals „Joe versus the Volcano“ – konnte sich gleich gar keiner etwas vorstellen. Kurz: Der Streifen floppte und geriet derart nachhaltig in Vergessenheit, dass die Wiederentdeckung durch Plaion Pictures über 30 Jahre später eine veritable Überraschung darstellt.

Sagen wir’s gleich: „Joe gegen den Vulkan“ ist bei weitem nicht so schlecht, wie sein Ruf vermuten ließe, aber auch nicht das verkannte Meisterwerk, zu dem ihn einige bis über die Ohren verknallten Fans gerne schreiben würden. Das mit Abstand Beste kommt hier gleich zu Beginn. Wir lernen Joe als unglücklichen, ja kranken Angestellten einer molochartigen Fabrik kennen (man achte auf die Schilder, an denen die Kamera vorüberfährt), die mitten im Nirgendwo zu liegen scheint, umgeben von einem vermatschten Parkplatz. Die Arbeiter schleichen zombiehaft den immer gleichen, tristen Weg zu ihren noch tristeren Arbeitsplätzen. Das sieht nicht nur aus wie eine Hommage an Fritz Langs „Metropolis“ (1927), das ist auch so gemeint, während sich die Musik (der ganze Soundtrack des Films ist eine Ohrenweide) vor Jack Nitzsches Score zu Paul Schraders „Blue Collar“ (1978) verbeugt. Auch alles, was auf diese Sequenz folgt und in einem nebelverhangenen, schwer depressiven New York spielt, zeugt von einem Stilwillen, den man einem Regiedebütanten nicht unbedingt zutrauen würde. Bis dahin ist „Joe gegen den Vulkan“ nicht nur für seine Entstehungszeit ein außergewöhnlich herausragender Film.

Auf der Handlungsebene erfährt Joe von seinem Arzt, dass er an einer Gehirnwolke leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat. Prompt kündigt er und akzeptiert das Angebot eines sehr reichen Mannes auf einer sehr kleinen Südseeinsel mit einem sehr großen Vulkan in denselben zu springen. „Lebe wie ein König, stirb wie ein Mann“, so der Werbespruch. Joe sagt zu und ist schon auf dem Weg nach Los Angeles, von wo aus in See gestochen werden soll. Auch bis hierhin zeichnet sich „Joe gegen den Vulkan“ durch seinen strikten Surrealismus aus (die Wirklichkeit sollen andere abbilden), die ihn zum entfernten Cousin diesseits von H.C. Potters „Hellzapoppin“ (1941) und jenseits der Arbeiten der Monty Pythons macht.

Aber kaum sind die Protagonisten auf dem Wasser flacht das Ganze rapide auf das Niveau eines typischen Sommervideos reicher Menschen ab. Da kann auch eine wundervoll aufgelegte Meg Ryan in der Rolle der Millionärstochter Patricia nichts mehr retten. Was auch daran liegt, dass Ryan zuvor zwei weitere Rollen spielt (Patricias rothaarige Halbschwester Angelica und gleich zu Beginn die personifizierte brunette graue Maus DeDe), die beide weiter von ihrem gewohnten Leinwandimage entfernt liegen und deshalb auch weitaus interessanter sind.

Apropos Besetzung: Shanleys Film durchziehen von Anfang bis Ende einige Cameos, die bei weitem nicht nur das Ziel verfolgen, für die Werbung ein paar berühmte Namen unterzubringen. Dan Hedaya als Joes fieser Chef zu Beginn, Lloyd Bridges als Millionär Graynamore, Robert Stack als Joes Arzt, Ossie Davis als Marshall und Abe Vigoda als Häuptling der Waponis (dazu gleich mehr) nageln ihre Charaktere mit einer Präzision an die Wand, die ein sehr gutes Drehbuch voraussetzt, geschrieben von einem Autor mit einem besonderen Ohr für das gesprochene Wort. Die Gespräche zwischen Joe und Patricia sind es auch, die die Szenen auf der Segelyacht retten. Nur mit der wundervollen Amanda Plummer, als Maat auf der Yacht mit dabei, weiß selbst John Patrick Shanley nichts anzufangen.

Aber sind Boot und Leute an der kleinen Insel mit dem großen Vulkan angekommen, rettet nichts mehr diesen Film. Bereits 1990 war die Darstellung der Insulaner eine einzelne Peinlichkeit. Heute würde kein Drehbuch mehr mit so etwas durchkommen. Aber selbst wenn man mit fehlender politischer Korrektheit kein Problem haben sollte, der ganze letzte Akt des Films funktioniert einfach nicht. Vielleicht weil er, insbesondere das Ende (nachdem der Vulkan Joe und Patricia wieder ausgespuckt hat), mehrfach umgeschrieben und nachgedreht wurde.

Deshalb unser Tipp: Sobald die Yacht den Südseestrand erreicht hat und alles nach einer Laienaufführung der „Meuterei auf der Bounty“ auszusehen beginnt: Ausschalten – und man wird einen ganz bemerkenswerten, ganz eigenständigen Film aus einer Zeit in Erinnerung behalten, die länger zurückzuliegen scheint als die nominellen 33 Jahre.

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