Der Mann aus Laramie

Land: USA 1950  Laufzeit: 103 min.  Regie: Anthony Mann  Mit: James Stewart, Arthur Kennedy, Donald Crisp, Cathy O’Donnell  Label: Plaion Pictures  : 27.4.2023  FSK: 12 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© Plaion Pictures

Früher, als – wie wir alle wissen – alles besser war, konnte man als Filmliebhaber mittels des TV-Programms einen einigermaßen ordentlichen Überblick über die Klassiker des Kinos, zumindest des amerikanischen, gewinnen. Diese Zeit ist vorüber. Die Sendeplätze, die es einmal dafür gab, sind nun zugestopft mit US-Krimiserien und deutschen Krimi-Fernsehfilmen. Und die Streamingdienste sind auch keine Hilfe, denn mit Filmen, denen man ihr Alter zum Teil ansieht, die im merkwürdigen Formaten daherkommen oder gar schwarz-weiß sind, lässt sich bei der Binge-affinen Jugend kein Euro machen.

Umso dankbarer muss man Anbietern von DVDs, Blu rays und anderen solchen Datenträgern sein, die sich der Pflege der Filmgeschichte annehmen und nicht müde werden, alte Filme oft frisch aufbereitet zu veröffentlichen. Filmjuwelen zum Beispiel oder PLAION (formerly known as Koch); wobei PLAIONs besondere Hingabe zum Western ausdrücklich hervorzuheben ist, gilt dieses amerikanischste aller amerikanischen Genres unter Nicht-Kennern doch nach wie vor als eher vernachlässigbares Kindervergnügen.

Dabei bot der Western Autoren und Regisseuren gerade in den stockkonservativen 1950er Jahren die Möglichkeit, hochpolitische und hochaktuelle Fragen zu verhandeln, gerade weil es in der Verkleidung des vorigen Jahrhunderts geschah. Natürlich denkt man bei Western sofort an John Ford (Regie) und John Wayne (Star). Aber auch wenn der mit Abstand beste Western aller Zeiten – „The Searchers“ (1956), in dem es hinter den Schießereien und Indianerangriffen um Rassismus geht – von Ford stammt und Wayne die Hauptrolle spielt, waren es zwei andere Regie/Star-Paarungen, die die Form in jenem Jahrzehnt bestimmten und auf Jahre definierten: Budd Boetticher und Randolph Scott sowie Anthony Mann und James Stewart.
„Der Mann aus Laramie“ (1955) war die leider letzte Zusammenarbeit zwischen Mann und Stewart und gilt nicht wenigen Kennern auch als ihre beste. Wie eigentlich in allen ihren Projekten geht es auch hier um eines Mannes (Stewart) Wunsch nach Rache. Rache für die Ermordung seines Bruders, der Indianern zum Opfer gefallen war, die von skrupellosen Weißen mit Waffen versorgt worden waren. Dieser Wunsch, die Pflicht Rache zu nehmen, bestimmt sein ganzes Ich und lässt ihn Grausamkeiten erdulden (gleich zu Beginn wird er durchs Feuer gezogen und bekommt eine Kugel in die Hand), wie sie in Kindervergnügen eher selten zu finden sind.
Zugleich baut Mann den Gegenentwurf zu diesem Leben auf: Sich niederlassen, eine gute, liebende Frau finden, Handel treiben. Alles verkörpert im von Donald Crisp verkörperten Viehbaron, der sein Umfeld und die Gegend mit harter Hand regiert. Crisp ist Stewart sympathisch, was wohl auch umgekehrt gilt. Wenn der alte Mann eine Schwäche hat, dann die Liebe zu seinem Sohn. Der ist leider ein Tunichtgut und ein Sadist und das Ziel von Stewarts Suche. Damit nimmt „Der Mann aus Laramie“ nicht nur den Grundkonflikt in William Wylers „Weites Land“ (1958) vorweg, er macht von Anfang an klar, dass man in einem harten Land, wie es New Mexico damals war, lieber kein Happy End klassischer Form erwarten soll.
An diesem Film, daran wie die äußere Form, die Majestät des über die ganze Breitwand ausgerollten Bildes (Kamera: der geniale Charles B. Lang) die Geschehnisse kommentiert, ankündigt und bedingt, kann man lernen, dass Regie viel, viel mehr ist, als die Kamera hinzustellen, aufzupassen, dass alles zu sehen ist sowie „Action!“ und „Cut!“ zu rufen. Mit jeder Einstellung begreift man mehr, dass die Bewegung der Kamera im Raum und die Bewegung der Menschen in der Landschaft künstlerischer Ausdruck der Emotionen sind, die die Handlung gnadenlos vorantreiben. So gewalttätig „Der Mann aus Laramie“ ist, so schön ist er zugleich. Die Schönheit ist eine Falle. Aber das merkt man erst kurz nachdem es zu spät ist.
Natürlich werden die wenigsten Bildschirme jedweder Art die Cinemascope-Leinwand ersetzen können. Aber man hat sich bei PLAION sichtlich Mühe gegeben, das Manko soweit irgend möglich vergessen zu machen. Und wer mir „Laramie“ durch ist, kann gleich mit der „Meuterei am Schlangenfluss“ (1952) und „Über den Todespaß“ (1954) weitermachen, der ersten und dritten Zusammenarbeit zwischen Mann und Stewart, die beide noch unter dem Label Koch herausgebracht worden sind. Leider fehlt ausgerechnet der mit Abstand eindringlichste Film des Duos, „Nackte Gewalt“ (1953) den es bisher nur in einer spanischen Pressung unter dem albernen Titel „Colorado Jim“ gibt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…
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