Regie: Stephan Rick Dauer: 105 min. Mit: Jonathan Rhys Meyers, Luke Kleintank, Eloise Smyth, Bruce Davison Label: EuroVideo VÖ: 9.2.2023 FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos
Wenn man etwas vom amerikanischen Kino lernen kann, dann unbedingte Erzählökonomie. Nehmen wir die Exposition von „The Good Neighbor“ als Beispiel:
Journalist David tritt seinen neuen Job beim „European Press Network“ in Riga an. Sein Herausgeber Grant lässt in in seinem Haus wohnen. Sein direkter Nachbar Robert hilft ihm sein Auto zu starten. Zum Dank lädt er Robert in eine Bar ein. Dort trifft er auf die attraktive Janine. Sie tauschen Nummern aus. Auf dem Heimweg überfahren David und Robert angeheitert eine Radfahrerin. Es ist Janine. Robert überzeugt David Fahrerflucht zu begehen, da alles andere beide in den Knast bringen würde.
Zu diesem Zeitpunkt sind gerade 20 der 105 Spielminuten vorüber und der Zuschauer weiß alles, was er wissen muss, selbst wenn er Curtis Hanson „Bad Influence“ (1990) noch nicht gesehen haben sollte. Robert übt keinen guten Einfluss auf David aus. Wie eigentlich immer in solchen Filmen ist der Böse die dankbarere Rolle, weshalb sie von Jonathan Rhys Meyers gespielt wird, während der blassere Luke Kleintank den blasseren David gibt.
Der Zuschauer weiß auch, dass sich von nun an alles um die Frage drehen wird, wem David zuerst zum Opfer fallen wird: Roberts sinistren Plänen oder den Ermittlungen der Polizei. Erschwerend kommt hinzu, dass David der Schwester des Opfers begegnet und sich gegen alle Vernunft auf sie, Vanessa, einlässt, während sie ihn bittet, ihr bei der Suche nach dem Täter zu helfen.
Leider lässt Regisseur Stephan Rick von nun an aber auch jeden Gedanken an Ökonomie fallen. Sein Film verliert Tempo, mäandert wo er griffiger werden müsste, bauscht Szenen auf, die weder innerhalb noch außerhalb der filmischen Logik Sinn ergeben. Rick verlässt sich leider zu sehr auf eine Tiefe der Charaktere, die nicht vorhanden und auf eine Komplexität des Drehbuchs, die nur behauptet ist.
Dennoch schaut man dem Film einigermaßen entspannt weiter dabei zu, wie er die Kontrollpunkte des Genres eher uninspiriert, aber dennoch verlässlich passiert. Sollte „The Good Neighbor“ dabei jemandem bekannt vorkommen, dann nicht nur weil er natürlich an alle seine Vorgänger erinnert, sondern weil er tatsächlich ein Remake ist.
Um das von Regisseur Stephan Ricks, der Mann ist Deutscher, eigenem Debütfilm. Der kam 2011 in die Kinos, hieß wenig originell „Unter Nachbarn“ aber immerhin mit Charly Hübner als Robert und Petra Schmidt-Schaller als Vanessa, und litt, so man den zeitgenössischen Kritiken trauen kann, unter den selben Problemen wie der zweite Aufschlag, der als US-Produktion aus Finanzierungsgründen in Lettland entstand.
Fazit: Ein Streifen, den man ohne Reue anschauen kann, den nicht gesehen zu haben man aber ebenso schwerlich bereuen wird.