Speak no Evil

Land: DK 2022  Laufzeit: 97 min.  Regie: Christian Tafdrup  Mit: Morten Burian, Sidsel Siem Koch, Fedja van Huêt, Karina Smulders  Label: Plaion Pictures  FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

© Plaion

Wer kennte solche Momente nicht? Man ist irgendwo eingeladen, aber leider stellt sich der Abend als nicht ganz so angenehm heraus wie erhofft, hauptsächlich weil die Gastgeber irgendwie merkwürdig sind, zu laut, zu vertraulich, zu übergriffig, dafür dass man sich erst so kurz kennt. Aber nicht laut, vertraulich und übergriffig genug, dass es den sofortigen Ab- und Aufbruch rechtfertigen würde. So bleibt man sitzen und lächelt selbst kleinere Unverschämtheiten weg, während man die Zeit herbeisehnt, zu der man, ohne unhöflich oder gar undankbar zu wirken, konventionsgerecht das Weite suchen kann.

Was aber, wenn man genau das nicht möglich ist. Weil man zu Gast ist. In einem anderen Land. Aus dieser Versuchsanordnung haben die dänischen Brüder Christian (Regie) und Mads Tafdrup (Drehbuch) einen Film gemacht. Louise und Björn samt Tochter Agnes aus Dänemark lernen im Italienurlaub Patrick, Karin und deren Sohn Abel kennen. Die Toskana ist die Toskana, das Wetter ist schön, des Essen noch besser, die Kinder sind in einem ähnlichen Alter, man kommt sich  näher und schon ist eine Einladung ausgesprochen. „Kommt uns doch in Holland besuchen.“ Und warum eigentlich nicht.

Aber im fremden Land, im fremden Haus stellen Louise und Björn fest, dass ihnen Patrick und Karin ebenfalls fremd sind. Es passt nicht, das wird rasch klar. Nur wohin „Speak no Evil“ (dessen dänischer Originaltitel „Gäste“ lautet) seine Protagonisten und sein Publikum führen will, wird lange nicht wirklich offensichtlich. Wäre da nicht die immer wieder einsetzende Musik, dissonant, laut, glaubte man, einem Sozialdrama typisch skandinavischer Machart zu folgen. Sind die anderen merkwürdig oder sind wir merkwürdig, weil wir die anderen merkwürdig finden?

Der letzte Akt des Films rechtfertigt schließlich alle Vorbehalte, die Louise und Björn gegenüber Patrick und Karin hegten. Sollte jetzt jemand die genretypischen Katarakte von Blut und jump scares erwarten, ist drastisches Umdenken gefordert. „Speak no Evil“ offenbart sich als Horrorfilm, aber sein Horror ist weit realer und dadurch weit beängstigender als es Hektoliter von Kunstblut je sein könnten. Tatsächlich hängt die Frage, ob Tafdrups Film gelungen ist oder nicht, ganz extrem davon ab, ob man sich mit seinem Ende, seiner Auflösung „anfreunden“ kann, die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden darf. In jedem Fall haben wir es hier mit einem Film zu tun, der das Risiko enttäuscht zu werden, wert ist.

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