Der Coup

Land: F/I 1971  Originaltitel: Le Casse  Laufzeit: 121 min.  Regie: Henri Verneuil  Mit: Jean-Paul Belmondo, Omar Sharif, Dyan Cannon, Robert Hossein, Nicole Calfan, Renato Salvatori Label: Plaion Pictures  : 13.4.2023  FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© Plaion Pictures

1954 schrieb François Truffaut für die legendere Filmzeitschrift Cahiers du Cinéma einen seiner einflussreichsten Texte: „Eine gewisse Tendenz im französischen Kino“. Darin verurteilte er das zu dem Zeitpunkt vorherrschende französische Kino der schönen Bilder und Dialoge. Meist Literaturvefilmungen, die laut Truffaut mit dem wirklichen Leben auf der Straße nichts zu tun hatten. Er nannte diese Art Kino verächtlich „le cinéma de papa“.

Unter der kinoaffinen Jugend fand dieser Aufsatz rasch und zahlreich Anklang. Man muss ihn wohl als eine der maßgeblichen Geburtsurkunden der französischen nouvelle vague, der Neuen Welle ansehen. Er verfrachtete aber nicht nur einige junge Wilde, darunter Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und Truffaut selbst auf den Regiestuhl, er sorgte auch dafür, dass eine Reihe Regisseure älterer Provenienz nicht mehr ernst genommen wurden. Einige, wie Claude Autant-Lara oder Jean Delannoy, hatten es nicht besser verdient. Anderen wurde bitter Unrecht getan. Hier vor allem Julien Duvivuer und Henri Verneuil.

Aber während Duvivier, der mit Jean Renoir und Marcel Carné zu den Großen des magischen Realismus der 1930er Jahre gezählt werden muss, heute rehabilitiert zu sein scheint, können selbst zu viele Menschen, denen Kino etwas bedeutet, mit dem Namen Henri Verneuil nur wenig anfangen. Den Kenntnisreicheren fällt vielleicht noch eines von seinen Meisterwerken ein – „Der Clan der Sizilianer“ (1969) mit Jean Gabin, Alain Delon und Lino Ventura – aber das war es dann meist auch schon.

Plaion Pictures (formerly known as Koch) bringt nun den Film heraus, den Verneuil nach den Sizilianern gedreht hat: „Der Coup“ (1971), mit Jean-Paul Belmondo, Omar Sharif, Dyan Cannon, Robert Hossein und José Luis de Vilallonga auch nicht gerade wenig prominent besetzt, aber trotzdem weitgehend in Vergessenheit geraten. Was vielleicht daran liegt, dass er zu sehr ein Film des Zeitgeistes ist, um ein Film für die Ewigkeit sein zu können.

„Der Coup“, der Titel verrät es bereits, ist zum einen ein Heist-Thriller, in dem sich Spezialisten zusammentun, um einen schlagzeilenträchtigen Coup durchzuziehen. Zum anderen ist er eine zu jener Zeit vor allem bei Produzenten beliebte internationale Produktion, was sich in der Besetzungsliste ebenso widerspiegelt, wie im Ort der Handlung (hier: Athen, könnte aber auch Nizza oder Algier sein).

Filme dieses Genres gliedern sich für gewöhnlich in drei Akte:

I. Die Vorbereitung des Coups/Vorstellung des dramatischen Personals. II. Die Durchführung des Coups. III. Werden Dieb Jean-Paul Belmondo und seine Truppe die Sore behalten können oder gelingt es dem korrupten Polizisten Omar Sharif, sie ihnen abzuluchsen? Irgendwo dazwischen verguckt sich Belmondo in die Amerikanerin Dyan Cannon, was nichts wirklich einfacher macht. Allerdings ist „Der Coup“ insofern anders, als er sich den ersten Akt im Grunde komplett schenkt und den zweiten gleich nach dem Vorspann mit einer tiefen Verbeugung von Jules Dassins „Rififi“ (1955) pflichtschuldigst erledigt. „Der Coup“, der im französischen Original übrigens „Der Bruch“ heißt und einem Roman David Goodis entlehnt ist, konzentriert sich vor allem und mit, wenn man so sagen darf, diebischem Vergnügen auf das Katz und Maus Spiel zwischen Belmondo und Sharif um die erbeuteten Preziosen.

Die Kenner ahnen es sicher bereits: dieses spezielle Sub-Genre verlangt weniger nach dem Künstler im Regisseur als nach dem versierten Handwerker. Eine Disziplin, bei der Henri Verneuil keinen Zweiten fürchten muss. Bildgestaltung, Schnitt, Ausstattung, alles dient der Spannungsmaximierung beim Betrachter und dazu, Jean-Paul Belmondo die Möglichkeit zu einigen aberwitzigen Stunts zu eröffnen. So gesehen auch eine erste Fingerübung, die für Star und Regisseur in „Angst über der Stadt“ (1975) münden wird. Dass beide auch Kunst beherrschen, bewiesen sie ein Jahr später mit „Der Körper meines Feindes“.

„Der Coup“ jedenfalls soll Vergnügen bereiten und tut dies auch von der ersten bis zur letzten Minute. Apropos: Da PLAION nicht nur die 114 Minuten lange internationale, englischsprachige Fassung auf die Scheibe gepresst hat, sondern auch die zwölf Minuten längere französische, kann man das angesprochene Vergnügen gleich doppelt genießen.

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