Alle meine Geheimnisse

Land: Südkorea 2020 Laufzeit: 117 min. Regie: Lee Ji-eun Mit: Lim Sun-woo, Moon Seung-a, Kang Gil-woo, Jang Sun Label: Plaion, FSK: 12 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

Welches Kind hatte nicht schon mal den Verdacht – oder die Hoffnung? – adoptiert worden zu sein, zu dieser Familie, in die man hineingeboren, hineingeworfen wurde einfach nicht zu passen? Die zwölfjährige Myung-eun fragt sich das täglich. Ihre hart arbeitenden Eltern verstehen die Träume ihrer Tochter nicht und wissen deshalb ihre Erfolge (sie wird gleich zu Beginn zur Klassensprecherin gewählt, gewinnt bei einem Schreibwettbewerb) auch nicht zu schätzen. Myung-eun wiederum sind ihre Eltern aus der Arbeiterklasse peinlich. Also erfindet das fantasie- und schreibbegabte Mädchen eine andere Familie, eine die zu ihr passt.

Das ist der Ausgangspunkt, den Regiedebütantin Ji-eun Lee nutzt, um von ihrer außergewöhnlichen Protagonistin zu erzählen, die zugleich von all den Fährnissen des Lebens bedrängt wird, die in jenem jungen Alter so unüberwindlich scheinen. Dabei ist Seung-a Moon ein Glücksfall für Film und Filmemacherin. Sie verkörpert das Wechselbad der Gefühle, die das Drehbuch für sie bereithält – denn natürlich wird ihr Kartenhaus zusammenbrechen -, mit einer Meisterschaft, wie sie junge Darsteller selten an den Tag legen.

„Alle meine Geheimnisse“ erlebte seine Deutschlandpremiere auf der Berlinale 2022 in der Sektion Generations. Er ist also gattungsgemäß ein „Kinderfilm“. Leider ist hierzulande der Irrglaube weit verbreitet, dass Kinderfilme Filme sind, die von Kindern handeln und deshalb auch nur für Kinder gedacht seien. Es ist diesem Film zu wünschen, dass er dieses Vorurteil überwinden kann. Die südkoreanische Produktion reiht sich nahtlos in die herausragenden Filme ein, die in den letzten Jahren Südkorea zu einem der interessantesten Filmländer haben werden lassen.