Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

Land: D 2023  Laufzeit: 110 min.  Regie: Margarethe von Trotta  Mit: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld  Label: Alamode  FSK: 6 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

© Alamode/MFA+

Die Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Margarethe von Trotta ist nicht irgendwer. Sie ist künstlerisch betrachtet – gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann Volker Schlöndorff und Werner Herzog – ein lebendes Fossil des Phänomens namens erst „Junger“ dann „Neuer Deutscher Film“, der Opas Kino, wie es im Oberhausener Manifest 1962 hieß, ablösen wollte. 1981, einem der besten Jahre des Neuen Deutschen Films, dreht von Trotta mit „Die bleierne Zeit“ das beste deutsche Kinostück. Trotz der Konkurrenz von Rainer Werner Fassbinders „Lola“, Wolfgang Petersens „Das Boot“, Uli Edels „Christiane F.“, Volker Schlöndorffs „Die Fälschung“ oder István Szabós „Mephisto“.

Ob die Schwestern Juliane und Marianne in „Die bleierne Zeit“ oder Katharina Blum in ihrem gemeinsam mit Volker Schlöndorff inszenierten Regiedebüt (1975), früh zeichnete sich das Thema ab, das von Trottas gesamte Filmographie durchziehen würde wie der sprichwörtliche rote Faden: Starke Frauen in den Händen toxischer Männer oder der nicht minder toxischen patriarchalischen Gesellschaft. Meist fiktive, von ihr erfundene, erdachte oder erträumte Frauen, manchmal aber auch real existierende wie Rosa Luxemburg im gleichnamigen Film von 1986 oder 2012 „Hannah Arendt“ und nun die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann in „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“.

Um nicht lange drumherum zu reden: „Ingeborg Bachmann“ ist kein gelungener Film geworden. Die Gründe sind vielfältig. Zuallererst ist es kein biopic, keine Filmbiographie der unglücklichen Schriftstellerin, die ein Star ihrer Zeit war, auch wenn sie heute den meisten nur noch als Namensgeberin des Klagenfurter Lesewettbewerbs sowie des dazugehörigen, prestigeträchtigen Preises bekannt sein dürfte, falls überhaupt. Im Mittelpunkt des Film stehen die vier Jahre zwischen 1958 und 1962, in denen die Bachmann eine offene, aber deshalb nicht weniger zerstörerische Beziehung zu und mit dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch durchlebte. Frisch im Filmtitel nicht zu nennen ist dabei nicht mal die größte Grausamkeit, die Margarethe von Trotta dem Mann zufügt. Er ist von Anfang an das Problem in dieser Beziehung. Aller verabredeten Offenheit zum Trotz wird er eifersüchtig, besitzergreifend. Er teilt auch nicht Bachmanns Liebe zu Rom. Das Opfer, die Leidende ist ganz allein die Frau und Künstlerin. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn es denn so gewesen wäre. Wie wir aber aus dem 2022 veröffentlichten Briefwechsel der beiden wissen, sah die Wirklichkeit anders aus. Margarethe von Trotta hat erklärt, den Briefwechsel nicht gekannt zu haben, als sie das Drehbuch schrieb und als sie ihn kannte, war es zu spät für den Film.

Nun könnte man sagen, was kümmert die Kunst die Wirklichkeit. Kunst schafft sich ihre eigene Realität. Aber in dieser Realität ist die Beziehung zwischen Ingeborg und Max reichlich banal wie tausende andere auch. Vicky Krieps spielt die Bachmann eindrucksvoll und Ronald Zehrfeld den Frisch nicht minder. Nur irgendeine Chemie will zwischen den beiden auf der Leinwand nicht entstehen. Die amour fou wird erzählt, man sieht sie nicht, noch weniger kann man sie nachfühlen. Ihre Dialoge klingen wie aufgesagte Aphorismen, Zitate, die, wie man weiß, Eis sind für jede Stimmung. Ginge es hier nicht um die Bachmann und den Frisch, der Film wäre nie entstanden. Das ganze erinnert an name dropping auf einer Party, um sich interessanter zu machen als man ist.

Erzähltechnisch hat sich Margarethe von Trotta für eine komplizierte Struktur entschieden, ausgehend von der titelgebenden Reise nach Ägypten, die Ingeborg Bachmann auf Einladung des jungen Schriftstellers Adolf Opel unternahm, um die existenzielle Krise zu verarbeiten, die die Trennung von Frisch für sie bedeutete. Das Eigentliche wird in Rückblenden erzählt, die so unrhythmisch daherkommen, dass sie an den Fetisch der Verweistechnik deutscher Juristen erinnern. Mit zunehmender Filmdauer gewinnt der Verdacht die Oberhand, von Trotta habe sich dazu erst im Schneideraum entschieden, um von der Banalität des Erzählten abzulenken.

Nur einmal, da erlaubt sich Margarethe von Trotta, aus diesem Rahmen zu fallen. Ganz zu Anfang des Films stehen Ingeborg Bachmann und Max Frisch auf einer Brücke. Sie in einem bonbonrosanen Kleid, er in gedecktem Dunkel. Sie rezitieren gegenseitig aus Guillaume Apollinaires „Le Pont Mirabeau“, auf Französisch. Unter ihnen fließt die Seine und im Hintergrund leuchtet Paris in den wärmsten Tönen. Ein Bild wie aus einer anderen Zeit. Leider auch wie aus einem anderen Film.

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