Dune – Der Wüstenplanet (1984)

Land: USA 1980  Laufzeit: 137 min.  Regie: David Lynch  Mit: Virginia Madsen, Brad Dourif, Sting, Kyle MacLachlan, Jürgen Prochnow  Label: Plaion Pictures  FSK: 12 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

© Plaion

„Dune“, das ist für die meisten heutigen Kinogänger die Denis Villeneuve-Version „Dune – Part One“, die 2021 in die Kinos kam, während der zweite Teil für 2024 angekündigt ist und den zweieinhalb Stunden des ersten Teils über drei weitere Stunden hinzufügen soll. Viele Menschen, insbesondere solche, die Frank Herberts Romanvorlage kennen und lieben, halten Villeneuves „Dune“ für ein Meisterwerk.

In den Augen des Autors dieser Zeilen ist „Dune – Part One“ Villeneuves bisher mit Abstand enttäuschendster Film. Fast alles daran ist Hintergrund und Vorbereitung auf die Wunder, die in Teil zwei noch kommen mögen oder auch nicht. Diesen Timothée Chalamet, der in allen seinen Filmen mindestens so affektiert agiert wie sich sein Name schreibt, als Paul Atreides zu besetzen, ist, sehr freundlich ausgerückt, ein einziger Missgriff. Die meisten Szenen sind merkwürdig unterbevölkert, dafür aber von schlecht ausgeleuchteten Bauten beherrscht, die wie späte Verbeugungen vor dem Set-Design von Fritz Langs „Nibelungen“ (1924) und „Metropolis“ (1927) wirken. Die unverhohlene Verherrlichung hereditär begründeter aristokratischer Herrschaft erledigt den Rest.

Nun ist aber Vielleneuve nicht der erste namhafte Regisseur gewesen, der sich an den lange Zeit als unverfilmbar gehandelten Stoff gewagt hat. Anfang der 1980er Jahre bekam David Lynch den Auftrag, sich der Sache anzunehmen. Er hatte gerade mit „Der Elefantenmensch“ (1980) die einzige Konkurrenz ins Kino gebracht, die Martin Scorseses „Wie ein wilder Stier“ im Rennen um den Titel ‚Bester Film des Jahres‘ ernsthaft fürchten musste. Bereits die Ankündigung allein ließ die Herzen der SciFi-Fans weltweit schneller schlagen und die Erwartungen in astronomische Höhen schnellen.

„Dune – Der Wüstenplanet“ wurde zum heiß erwartetsten Filmstart des Jahres 1984 und hatte kaum eine Woche danach den Ruf weg, einer der größten künstlerischen und finanziellen Flops der Filmgeschichte zu sein. Wobei David Lynch selbst zu den ersten zählte, die sich vom Endprodukt distanzierten. Seine Schnittfassung soll ca. vier Stunden gedauert haben. Produzent Dino De Laurentiis bevorzugte aber etwas kürzeres, denn kürzere Filme erlauben mehr Vorstellungen pro Tag. Und da Lynchs Vertrag das Recht des Final Cut nicht vorsah – eine Lehre, die Produzenten weltweit aus der Katastrophe um Michael Ciminos „Heavens Gate“ (1980) gezogen hatten – zog Lynch den Kürzeren.

Der Film aber auch. Denn bei den knapp über zwei Stunden, mit denen er schließlich in die Kinos kam, mussten gewisse Handlungsstränge zwangsläufig stark verkürzt beleuchtet werden, andere landeten gleich komplett im Papierkorb. Ergebnis: Fans der Vorlage waren enttäuscht liebgewonnene Passagen gar nicht zu Gesicht zu bekommen und Leute, die die Vorlage nicht kannten, konnten den Geschehnissen auf der Leinwand bald nicht mehr folgen. Es ist nachgerade ein Wunder, dass Lynchs „Dune“ Lynchs Karriere als Regisseur nicht beendete, ehe sie richtig Fahrt aufgenommen hatte.

Retrospektiv, mit dem Abstand von fast 40 Jahren betrachtet, ist Lynchs Version großes Unrecht angetan worden. Vielleicht auch weil das Publikum nur ein Jahr nach dem dritten Teil der „Star Wars“-Saga auch von „Dune“ ähnliches erwartete wie von George Lucas. Denn trotz des unleugbaren Problems der Kürze, ist es Lynch sehr bemerkenswert gelungen, den Geist des Romans in Bilder zu übertragen. Die Verbindung zwischen futuristischer Technik, mittelalterlichen Riten und nahöstlicher Kultur im Kampf zwischen Gut und Böse, ist weit überzeugender eingefangen als in Villeneuves Version. Vor allem, weil Gut und Böse nuancierter dargestellt werden.

Auch die Starbesetzung der 1984er Version gereicht ihr zur Güte. Francesca Annis als Lady Jessica, Richard Jordan als Duncan Idaho, Virginia Madsen als Prinzessin Irulan, Kenneth MacMillan als Baron Harkonnen, Sean Young als Chani, Patrick Stewart als Gurney Halleck, ja selbst Jürgen Prochnow als Leto Atreides und sogar Sting als Feyd Rautha prägen sich tief ins Gedächtnis ein, sobald man sie einmal gesehen hat. Und Brad Dourif, José Ferrer, Linda Hunt, Freddie Jones, Silvana Mangano, Everett McGill, Dean Stockwell und Max von Sydow machen auch noch mit. Einzig bei der Besetzung der Hauptrolle bewegen sich Lynchs und Villeneuves Version auf demselben Niveau: Kyle MacLachlan als Paul Atreides  ist mindestens so daneben wie Timothée Chalamet. MacLachlan jedoch wurde zu einem von Lynchs Lieblingsschauspielern, durfte sich in dessen „Blue Velvet“ (1986) und seiner Serie „Twin Peaks“ (1989) rehabilitieren.

Hoffentlich gilt das auch für Lynchs „Dune“ dank der Initiative von Plaion Pictures, die ihn nun mit einer Länge von 137 Minuten wiederveröffentlichen. Nicht nur SciFi- und Herbert-Fans sollte dieses verkannte Meisterwerk einen Blick wert sein. Natürlich ist insbesondere den computergenerierten Effekten ihr Alter anzusehen, sie unterstreichen aber gerade dadurch die Genialität, mit der Lynch sich bemüht hat, die Fantasie Herberts in Bildersprache zu übersetzen. An dieser Stelle eine Warnung: Es gibt eine 190-minütige Schnittfassung, die fürs TV zusammengeklebt und von Lynch noch weniger autorisiert wurde. Zu erkennen ist sie außer an der Länge daran, dass als Regisseur ein gewisser Allan Smithee zeichnet – eine Zeitlang das Pseudonym für alle Filme, mit denen ihre Regisseure nichts mehr zu tun haben wollten. Finger weg davon. Aber in einem Esquire-Interview von 2022 machte Lynchs kryptische Andeutungen, dass sein Director’s Cut eventuell doch noch das Licht der Welt erblicken wird. Hier gilt: Daumen drücken.

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