The Last Boy on Earth

Land: Neuseeland 2023  Laufzeit: 97 min.  Regie: Nicolás Onetti u.a.  Label: Meteor  FSK: 12 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos

© Meteor

Kurzfilme haben’s schwer. Es gibt für sie – jenseits diverser Kurzfilmfestivals, von denen das in Oberhausen das berühmteste sein dürfte – weder Abspielstätten noch ein zahlungswilliges Publikum. In den 1960er Jahren haben europäische Produzenten versucht, das Problem zu lösen, indem sie den nach Autorenfilmen hungrigen Cineasten mehr berühmte Regisseure fürs gleiche Geld an einem Abend boten. Produziert wurden die Filme meist extra für diese Anthologien, in der Regel verbunden durch ein gemeinsames Thema.

Mit am Anfang stand der italienische „Liebe in der Stadt“ (1953) mit Beiträgen von Michelangelo Antonioni, Federico Fellini, Alberto Lattuada, Carlo Lizzani und Dino Risi. Die Liebe war meist das verbindende Element. So auch in „Liebe mit 20“ (1962) mit Beiträgen von François Truffaut (dessen „Antoine et Colette“ zum Antoine-Doinel-Zyklus zählt), Marcel Ophüls und Andrzej Wajda oder der berühmtesten Anthologie „Boccaccio `70“ (1962) mit Beiträgen von Mario Monicelli, Vittorio De Sica, Federico Fellini und Luchino Visconti. Monicellis Episode wurde zur Kinoauswertung übrigens gestrichen (kürzere Filme erlauben mehr Vorstellungen) und für die Blu-Ray-Veröffentlichung dankenswerterweise wieder hinzugefügt. Wobei dieses Schicksal auch andere Kollegen ereilte. Aus „Die Frauen sind an allem schuld“ (1964) wurden ausgerechnet die Episoden Jean-Luc Godards und Roman Polanskis entfernt. Ende der 1960er kam diese Mode zum Erliegen, mit einem späten deutschen Nachzügler, „Deutschland im Herbst“ (1978) mit Beiträgen von Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Edgar Reitz und Volker Schlöndorff), der allerdings eher Konzeptfilm zum Deutschen Herbst als Spielfilm ist.

So gesehen ist die Veröffentlichung der argentinischen Anthologie „The Last Boy on Earth“ (2023) eine Überraschung. Denn während in früheren Tagen eindeutig die berühmten Regisseure Hauptanziehungsmoment waren, ist der, nun ja, bekannteste Name hier, der des Masterminds des Projekts, Nicolás Onetti, wobei der weniger für Filmkunst als für trashiges Slasherkino bekannt ist (zuletzt gab es von ihm „What the Waters Left Behind: Scars“). Dass ausgerechnet sein Beitrag, die alle Episoden überspannende und verbindende Erzählung vom titelgebenden Jungen die mit Abstand uninteressanteste ist, kann man unter Ironie abbuchen und sich ansonsten an dem netten Spielzeug aus den 1970ern und 1980ern erfreuen.

Daneben bietet die Veröffentlichung – in der Reihenfolge ihres Erscheinens – „Slice of Life“ von Luka Hrogovic & Dino Julius, „Pandora“ von Daniel Rübesam, „On/Off“ von Thierry Lorenzi, „Storm“ von Will Kindrick, „Abe“ von Rob McLellan und „Adam Peiper“ von Monica Matteo. Alle für Fans der Science Fiction nicht uninteressant. Manche aus sich selbst heraus. Manche als erkennbare Stilübung für größeres. Und manche als neckisches Zitat berühmter Vorbilder. Zur letzteren Kategorie zählt die erste und mit Abstand beste Episode „Slice of Life“. Eine gelungene Hommage an die Bildwelten von Ridley Scotts Überklassiker des Science Fiction Kinos, „Blade Runner“ (1982), und das ohne, dass ein einziges Wort gesprochen würde. Er allein lohnt den Blick. Was folgt ist Zugabe.

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