You Are Not My Mother

Laufzeit: 93 min.  Regie: Kate Dolan  Mit: Katie White, Paul Reid, Hazel Doupe, Carolyn Bracken  Label: Plaion Pictures  FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© Plaion Pictures

Charlottes Leben als unfroh zu bezeichnen, ginge als Untertreibung der Saison durch. Die Siedlung am Stadtrand Dublins hat noch nicht mal bessere Zeiten gesehen. In der Schule wird sie von einer Gang boshafter Mädchen ebenso grausam wie gnadenlos gemobbt.

Ihr Zuhause ist auch kein wirkliches Heim. Das Haus wirkt als sei es und sein Interieur in unterschiedliche Stadien des Verfalls gefangen. Charlottes Großmutter scheint es nie zu verlassen. Und wer jetzt denkt, mit der alten Dame stimmt etwas nicht, hat Charlottes Mutter nicht kennengelernt.

Die ersten 20, 30 Minuten fühlt sich „You are not my mother“ wie eines jener tristen Sozialdramen an, für die die BBC eine zeitlang die exklusiven Weltrechte besaß. Und sieht auch so aus. Wer jedoch erwartet, dass die Dinge so auch dem Ende entgegendümpeln hat zwei Dinge vergessen: den Titel und den rätselhaften Prolog ganz am Anfang.

Ein Kinderwagen auf einer dunklen Landstraße. Darin ein schreiendes Baby. Eine alte Frau schiebt den Wagen in den Wald. Sie hebt das Kind heraus und legt es auf den Boden. Sie zündet einen Feuerkreis um das Baby an. Man fühlt die Hitze der Flammen regelrecht, die dem Kind viel zu Nahe kommen und den Waldboden verkohlen. Nichts davon wird erklärt. Bis kurz vor Schluss.

Davor verschwindet Charlottes Mutter spurlos, nur um wenige Tage später wieder aufzutauchen. Allerdings vollkommen verändert. Gerade noch heiter, wandelt sie sich im Handumdrehen zu einer bedrohlichen Präsenz. Charlotte, von allen Char genannt (ein in Verbindung mit dem Prolog sprechender Name) bewegt sich fortan noch vorsichtiger zwischen den eigenen vier Wänden. Die Großmutter weiß offensichtlich mehr als sie preiszugeben bereit ist.

„You are not my mother“ verhandelt die Beziehungen innerhalb einer Familie frei nach Karl Kraus‘ Diktum, der Begriff Familienbande habe einen Beigeschmack von Wahrheit. Und er tut es als Horror-Film, der sich geschickt und intelligent bei Irlands reichem folkloristischen Erbe bedient. Es wäre mehr als reizvoll, ihm gemeinsam mit Robin Hardys „The Wicker Man“ (1973) Seite an Seite anzusehen.

Auch „You are not my mother“ ist ein Spielfilmdebut; wir haben es schon öfter erwähnt: Horror ist das Genre für Regieneulinge. Vor allem wenn sie sich, wie hier Kate Dolan, gegen einen weiteren Erschreckfilm entscheiden und stattdessen Spannung und Furcht langsam aber sicher das Heft des Handelns überlassen.

Für den Erfolg des Unternehmens bedanken muss sie sich nicht nur bei ihren technischen Gewerken, sondern vor allem bei Hazel Doupe als Char und bei Carolyn Bracken als ihrer Mutter, die beide auf unterschiedliche Art und Weise schwierige Rollen in gleicher Weise beeindruckend eindringlich interpretieren. Nichts fürs entspannt zwischendurch mal Hinschauen, sondern anspruchsvoller Horror, der die Aufmerksamkeit seines Publikums reich belohnt.

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