Laufzeit: 105 min. Land: USA 2020 Regie: Neil LaBute Mit: Diane Kruger, Hank Azaria, Ray Nicholson Label: Plaion Pictures VÖ: 23.3.2023 FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:
Neil LaBute war mal wer. In den 1990ern. Erst im Theater, dann mit seinem Filmdebüt „In the Company of Men“ (1997) auch im Kino. Sein zweiter Film „Your Friends & Neighbors (1998) war sogar besser und „Nurse Betty“ (2000) ist eine richtig abgedrehte Komödie. Leider erwies sich seine erste Großproduktion, die A.S. Byatt-Verfilmung „Besessen“ (2002), als Flop und von da an gings abwärts.
Dennoch filmt LaBute unverdrossen weiter, zuletzt eben „Out of the Blue“. Worum es geht? Verführerische Frau verführt jungen Dümmling zuerst zu Sex und dann dazu, ihren Mann zu ermorden. Dann sorgt sie dafür, dass auch der jugendliche Dümmling das Zeitliche segnet, woraufhin sie das Leben leicht bekleidet mit ihrer Freundin auf einer schicken Yacht genießen kann…
Das bemerkenswerteste an der Storyline: dass LaBute ohne Rot zu werden den Nachspann behaupten lässt, er habe sie geschrieben. Denn natürlich ist das die grobe Handlung von James M. Cains Roman „Wenn der Postmann zweimal klingelt“.
Zuerst verfilmt wurde der von Luchino Visconti als „Ossessione“ (1942, allerdings hatte er vergessen, sich um die Rechte zu kümmern). Es folgte Tay Garnetts Version von 1946 unter dem Originaltitel mit Lana Turner und John Garfield, ein Klassiker des Film Noir.
1981 kamen gleich zwei Versionen in die Kinos. Einmal Bob Rafelsons ebenfalls unter dem Originaltitel und im Originalsetting mit Jessica Lange und Jack Nicholson, dessen Qualitäten leider lange von dem Gerücht überschattet wurden, Lange und Nicholson haben es auf dem Küchentisch wirklich miteinander … Sie wissen schon.
Zum anderen Lawrence Kasdans Regiedebüt „Body Heat“ (den saudummen deutschen Titel „Eine heißkalte Frau“ vergisst man am besten gleich wieder) mit Kathleen Turner und William Hurt in den Hauptrollen und Mickey Rourke in einer Nebenrolle. Einer der besten Neo-Noirs, der die Karrieren aller Beteiligter nach vorne katapultierte.
Vor diesem Hintergrund zu behaupten, es bestünde irgendein Bedarf nach einer weiteren Fassung, ginge also als Fehlschluss der Saison durch. Nun weiß das auch Neil LaBute, denn er ist ein gebildeter Mann. Also macht er sich daran, nicht einfach ein weiteres Remake abzufilmen, sondern ein postmodernes Remake. Hier wird nicht nur zitiert, sondern das Zitat zugleich mit einer Fußnote versehen.
Also wird Cains Roman im Film nicht nur erwähnt, er verrät zugleich, wieso am Ende alles schlecht ausgehen wird („sie hätten nur zusammenhalten müssen“). Das Buch wird mehrfach ausgeliehen und auch die Freundin am Ende hält es in den Händen.
In LaButes filmischen Zitatenkästchen muss man mitunter aber auch mächtig um die Ecke denken. So gibt es im TV eine kurze Szene mit Edward G. Robinson zu sehen. Der macht aber in „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ (auf deutsch eigentlich „Im Netz der Leidenschaften“) gar nicht mit. Dafür aber in Billy Wilders „Double Indemnity“ (1944). Der ist auch ein Klassiker des Film Noir, erzählt im Grunde dieselbe Geschichte und die Vorlage stammt ebenfalls von James M. Cain.
Das gerissenste Zitat hat LaBute sogar vor unser aller Augen versteckt und es zielt auf Rafelsons 1981er Version. Der jugendliche Dümmling wird in „Out of the Blue“ von einem gewissen Ray Nicholson gegeben. Na? Klingelts? Richtig. Ray ist niemand geringerer als Jacks Sohn – und muss ganz offensichtlich nach der Mama kommen.
Wer für solcherlei Gags aber nichts übrig hat, ist dem nackten Film ausgeliefert. Und der funktioniert einfach nicht. Die Dialoge sind selten doof; in der deutschen Synchro sogar noch mehr als in der Originalfassung. Die Chemie zwischen den beiden Protsgonisten (die femme fatale wird vom deutschen Filmexport Diane Krüger oder Kruger verkörpert) ist nicht nur nicht vorhanden, sie wird nicht mal behauptet. Die Plot Points werden vorab gespoilert, so dass sich nicht mal ansatzweise Spannung aufbaut. Und Hank Azarias Bewährungshelfer, auf dessen Jacke „Bewährungshilfe“ steht, wähnt sich sowieso in einem anderen Film: später kommt man drauf: Noel Blacks „Pretty Poison“ (1968) – aber das ist eine andere Geschichte.
Eigentlich sollte bereits der komplett nichtssagende Titel Warnung genug sein. Filme, die „Out of the Blue“ heißen sind Legion und der einzige, der etwas taugt ist Dennis Hoppers aus dem Jahr 1980. Aber nichts, nicht mal dieser (mit Ausnahme von Walt Lloyds Kamera) verunglückte Streifen ist vollkommen nutzlos. Er macht Lust, sich zahlreiche andere, in jeder Weise bessere Filme anzuschauen.