Der falsche General

Originaltitel: Il Generale della Rovere  Land: Italien 1950  Regie: Roberto Rossellini  Mit:  Sandra Milo, Luciano Pigozzi, Vittorio De Sica, Hannes Messemer, Lucia Modugno, Vittorio Caprioli, Giovanna Ralli  Label: Plaion Pictures  FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© Plaion Pictures

Es gibt viele Arten von Regisseuren. Gute und weniger gute. Stars und versierte Handwerker. Und unter den großen Künstlern, gibt es noch ein paar wenige, die mit ihren Filmen das Sein und die Seele des Kinos definieren. Selbst wer ihre Filme nicht mag, kann ihre Größe und Bedeutung nicht leugnen. Sie sind die Solitaire der Leinwand.
Ingmar Bergman war so einer. Oder Andrzej Wajda. Orson Welles. Luis Buñuel. Andrej Tarkowskij. Rainer Werner Fassbinder. Und natürlich der Italiener Roberto Rossellini.

Viele Klassiker gehen auf sein Konto: „Rom, offene Stadt“ (1945). „Paisà“ (1946). „Deutschland im Jahre Null“ (1948). Die Filme mit Ingrid Bergman, seiner damaligen Frau und Mutter der gemeinsamen Tochter Isabella Rossellini, vor allem „Stromboli“ (1949), „Europa ’51“ (1952) und „Reise in Italien“ (1953).

Und dann ist da noch „Der falsche General“ (1959). Rossellini hat später zu Protokoll gegeben, das sei einer von zweien seiner Filme (der andere ist „Schwarze Seele“ von 1962), die gemacht zu haben; er bereue. Ein merkwürdiges Urteil über einen der besten Filme in Rossellinis Filmographie, nicht wahr? Manche glauben, das läge daran, dass „Il Generale della Rovere“, so der Originaltitel, so viel, zu viel über den Menschen Rossellini verrät und während man sich den Film anschaut, beschleicht einen das Gefühl, dass diese Erklärung der Wahrheit sehr nahe komme.

Roberto Rossellini, der manchmal zu den Rändern des italienischen Neo-Realismus (der, wenn man so will, ersten neuen Welle der Filmgeschichte) hinzu gerechnet wird, soll immer damit gehadert haben, dass der nominelle Vater des Neo-Realismus, der Regisseur und Star Vittorio De Sica („Fahrraddiebe“, 1948) stets deutlich erfolgreicher und beliebter war als er selbst. Rossellini hielt De Sica wohl für einen Schwindler und Täuscher – und als solchen inszeniert er ihn in „Der falsche General“ auch.

Ob De Sica die Bosheit hinter dem Besetungscoup bemerkt hat, ist nicht überliefert. Er hat wohl aus Verehrung und Bewunderung für Rossellini mitgemacht, der ihm zum Dank seine wohl mit Abstand beeindruckendste und anrührendste darstellerische Leistung abgerungen hat. So wurde aus „Der falsche General“ ein Monument für beide: Roberto Rossellini und Vittorio De Sica.

Zu Beginn des Films ist De Sica noch Bardone. Ein Windhund, der jedem erzählt, was der gerne hören möchte und für die richtige Summe auch seine sprichwörtliche Mutter verkaufen würde. Eine Szene, das erste Zusammentreffen von Bardone und dem SS-Offizier Müller, genügt Rossellini, um den Charskter des Bardone zu skizzieren. Man achte darauf, in welcher Gescheindigkeit Bardone vom Neapolitaner zum Römer wird.

Aber der Windhund ist zugleich ein Überlebenskünstler und dieses Talent dürfte im Italien des Jahres 1943, die deutschen Truppen waren noch nicht richtig weg, die amerikanischen noch nicht richtig da, ein sehr nützliches gewesen sein. Später im Film wird ihn der Preuße Müller den General della Rovere spielen lassen. Bardone soll zum Spitzel für den Deutschen werden. Der wird übrigens von Hannes Messemer gespielt und ein hartnäckiges Gerücht besagt, dass Messemer dieser Leistung seine Rolle als Lagerkommandant in „Gesprengte Ketten“ (1963) verdankte.

Viele Rossellini-Experten sehen im Zusammenspiel von Bardone und Müller nichts weniger als ein Doppelportrait Rossellinis, der nicht wie De Sica sein kann und doch nicht anders kann als ihn nicht nur zu beneiden, sondern auch zu bewundern. Dafür spricht auch die letzte Wendung des Films, die den falschen della Rovere zu einem wirklichen General Italiens werden lässt – und sei es um den Preis des eigenen bisschen Lebens.

Der Regisseur Rudolf Thome (wer dessen „Tarot“ von 1986 noch nicht gesehen hat, sollte diesen Fehler rasch korrigieren) hat einmal geschrieben: Rossellini „zeigt in langen Einstellungen das, was man nicht zeigen kann, das Innere eines Menschen. Es ist die Reise einer Seele bis zu dem Punkt … der seine Person im letzten und tiefsten Grund ausmacht … das, was einer wirklich meint, wenn er ICH sagt.“

Näher kann man diesem großen Film, diesem Kunstwerk mit Worten nicht kommen. Nur mit Blicken. Deshalb: Gehen Sie los und kaufen Sie diesen Film, damit PLAION PICTURES (the Label formerly known as Koch) nicht damit aufhört, diese Meilensteine des Kinos den Archiven und Museen zu entreißen und sie wieder in die Öffentlichkeit zu bringen.

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