Jezabel – Sünden der Vergangenheit

Laufzeit: 107 min.  Land: Venezuela/Mexiko 2022  Regie: Hernán Jabes  Mit: Gabriel Agüero, Eliane Chipia, Erich Wildpret, Shakti Maal, Johanna Juliethe, Maria Conchita Alonso  Label: Busch Media Group  : 10.3.2023  FSK: 16 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© Busch Media

Am 16.02.2023 ist der französische Regisseur Michel Deville gestorben. Keiner der ganz großen Regiestars. Eher einer für Eingeweihte. Sein in Deutschland bekanntester Film: der Thriller „Gefahr im Verzug“. Er kam 1985 in die deutschen Kinos, zu einer Zeit als man die Entwicklung solcher Filmemacher auch aus Berlin (West), Hamburg oder München verfolgen konnte. Davon kann heute aller überbordenten Streamingangebote zum Trotz keine Rede mehr sein. Und Frankreich ist unser direkter Nachbar.

Aus dieser Not scheint die Busch Media Group derzeit eine Tugend zu machen. Heimlich still und leise hat sich hier ein Geschäftsmodell entwickelt: statt für zu viel Geld bedtenfalls mittelgute US-amerikanische Ware zeigen zu können, sucht man für deutlich überschaubare Summen exotischere Filmländer nach der einen oder anderen Perle ab. So tauchen plötzlich Filme aus Syrien oder Indonesien auf, oder eben aus Venezuela wie „Jezabel“.

„Jezabel“ (übrigens mit weichem J am Anfang gesprochen) ist ein Thriller auf der Oberfläche und ein eindringlicher Kommentar zur traurigen Lage des eigentlich so reichen Landes genau darunter. Deshalb inszeniert Regisseur Hernán Jabes den einen Teil als Homage an Larry Clark (viel nackte Haut junger Körper inklusive) und den anderen als Homage an den oben genannten Michel Deville.

Ein junges Mädchen wird ermordet. Sie gehörte zu einer Clique wohlsituierter Teenies, die die Tage miteinander verbringen. Sie schlafen auch alle miteinander. Weniger aus Liebe, denn gegen die Langeweile. Sex ist die günstigste Ablenkung und jederzeit in Reichweite. Zugleich ist Sex ein ökonomischer Faktor und eine Waffe.

Eine von vielen im sozialistischen Venezuela des Präsidenten Nicolás Maduro. Hinter Hernán Jabes Bildern lauern ständige Unruhen. Es ist diese gefühlte Realität, die auf den doppelten Boden der Erzählung des Films verweist, noch ehe er in einer Folge verwirrend-geschickter Montagen ins Auge rückt. 16 Jahre sind vergangen. Ein Journalist will den Mord an dem jungen Mädchen nochmals aufrollen. Ist seinerzeit der Falsche (ein Lehrer) verhaftet und verurteilt worden? Hatten die vier verbliebenen Freunde ihre Finger mit im Spiel?

„Jezabel“ wird als Erotik-Thriller verkauft. Und obwohl beides darin vorkommt, führt das Label in die Irre. Er ist vielmehr ein hybrider Film, der sich sowohl als Thriller als auch als Kommentar zum Stand der Dinge im failed state Venezuela lesen lässt. Jede Lesart kann mit großem Vergnügen genossen werden. Am meisten Vergnügen macht der Film aber, wenn man sich seinen beiden Seiten zugleich öffnet.

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