Land: USA 2022 Regie: Maria Schrader Dauer: 129 min. Mit: Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson, André Braugher, Dean Baquet, Jennifer Ehle Label: Universal VÖ: 23.2.2023 FSK: 18 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos
Zwei Reporter decken in akribischer Recherche einen der größten Skandale auf; mit weitreichenden Weitungen in Politik und Gesellschaft.
„Die Unbestechlichen“ (1976) von Alan J. Pakula? Robert Redford und Dustin Hoffman als Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post bringen Watergate ans Licht der Öffentlichkeit?
Fast. „She Said“ (2022) von Maria Schrader. Carey Mulligan und Zoe Kazan als Megan Twohey und Jodi Kantor von der New York Times, die die Schweinereien von Harvey Weinstein ans Licht der Öffentlichkeit bringen.
Erinnert sich noch jemand an 1991? Als „Das Schweigen der Lämmer“ auf der Leinwand erschien und niemand Jonathan Demme einen solchen beinahe kompromisslosen Thriller zugetraut hätte? So ähnlich ging es allen 2022 angesichts Maria Schraders beinahe komplett gelungenem Journalistinnen-Thriller „She Said“.
Inszeniert die hauptsächlich als Darstellerin bekannte Schrader selbst Filme, kommen dabei Arthaus-Sachen wie „Liebesleben“ (2007), „Vor der Morgenröte“ (2016) und zuletzt „Ich bin dein Mensch“ (2021) heraus. Nichts, rein gar nichts hat das Publikum auf den klassischen, beinahe schon klassizistischen Hollywood-Journalismus-Thriller „She Said“ vorbereitet.
„He said, she said“ sagt man im Englischen, wenn zwei widersprüchliche Aussagen auf einander treffen und es für Außenstehende beinahe unmöglich ist festzustellen, wer lügt. Mit anderen Worten, die fast klassische Situation bei Missbrauchsprozessen.
Wenn nun bei Schrader (wie schon im gleichnamigen Sachbuch von Twohey und Kantor) nur noch der zweite Teil des Titels übrig bleibt, dann ist das durchaus als politisches Programm zu verstehen. „She Said“ will einseitig und parteiisch sein. Die verleumderische Ex-Geliebte wird man hier ebenso vergeblich suchen wie den Rock, der eventuell doch ein wenig zu kurz hätte gewesen sein könnte oder den Mann, der das klare Nein im Rausch der Leidenschaft überhört hat.
Das funktioniert natürlich nur, weil es am Ausgang der Geschichte, an der übergroßen Schuld Harvey Weinsteins, seine Macht missbraucht zu haben, um Frauen zu missbrauchen, die beruflich von seinem Wohlwollen profitiert hätten, nicht auch nur den geringsten Zweifel gibt.
Das unterscheidet „She Said“ etwa von „Bombshell“ oder „The Loudest Voice“ (beide 2019). Er hält den konsequent weiblichen Blick und Blickwinkel durch. Wenn die Kamera durch unpersönliche Hotelkorridore wandert oder in triste Hotelzimmer blickt, während aus dem Off die Stimmen der Opfer erzählen was ihnen widerfahren ist, bleiben such beim Publikum keine Fragen offen.
Dabei gelingt Maria Schrader auch das Kunststück, ihre fiktionale Beweisführung durch dokumentarische Einschübe zu untermauern (Ashley Judd tritt beispielsweise als sie selbst auf), ohne dass ihr Film an solchen Sollbruchstellen zerschellt. Es gelingt ihr im Gegenteil, dank dieses Kunstgriffes noch eindringlicher vorzuführen, dass es Weinstein bei seinen Verbrechen wenn überhaupt um Lust, dann nur um die Lust an der Macht ging.
Erinnert sich jemand an „Angeklagt“ von 1988? Darin spielt Jodie Foster ein Vergewaltigungsopfer, das seine Peiniger vor Gericht bringt. Kurz vor dem Ende konnte Regisseur Jonathan Kaplan der Versuchung oder dem Druck der Produzenten nicht widerstehen, die Vergewaltigung zu zeigen und damit die Erniedrigung des Opfers dem voyeuristischen Blick des Kinopublilums preiszugeben.
Eine solche Szene wird man in „She Said“ vergeblich suchen. Auch das macht ihn zu einem stilistisch interessanteren, inhaltlich überzeugenderen und insgesamt besseren Film. Unbedingte Guckempfehlung.