Die Schlange

Regie: Tom Shankland/Hans Herbots  Mit: Tahar Rahim, Jenna Coleman, Billy Howle, Ellie Bamber, Amesh Edireweera,Rosbak, Alice Englert, Ruby Ashbourne Serkis  Laufzeit: 8 x 60 min.  Label: edel:motion  FSK: 16  : 13.1.2023 – Ein Beitrag von Georgios Tsapanos:

© edel:motion

Beginnt ein Film oder eine Serie mit der berüchtigten Ankündigung, die Geschichte basiere auf tatsächlichen Ereignissen, hat das Publikum in der Regel guten Grund, alle Hoffnung fahren zu lassen. Was wie ein Hinweis auf besondere Authentizität daherkommt, ist in der Regel eine vorauseilende Entschuldigung für Nachlässigkeiten in Konstruktion und Ausführung des folgenden Dramas. Es war ja in Wirklichkeit so…
Nun, die achtteilige, ca. siebeneinhalbstündige BBC/Netflix Miniserie „Die Schlange“ ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Erzählt wird die Geschichte des Betrügers und Serienmörders Charles Sobhraj (Tahir Rahim), der gemeinsam mit seiner Freundin Marie-Andrée Leclerc (Jenna Coleman) zwischen 1963 und 1976 mindestens 12 Menschen, meist vertrauensselige Backpacker in Südostasien, ermordet hat und dafür den Spitznamen „Die Schlange“ verliehen bekam. Wobei die Handlung sozusagen am Ende beginnt, als ein amerikanisches TV-Team den Killer 1979 in Paris als freien Mann aufspürte.

Rasch werden die Probleme dieser Konstruktion deutlich. Weder Sobhraj noch Leclerc sind besonders nette Menschen und sie werden im weiteren Verlauf eher noch unappetitlicher. Und weder Rahim noch Coleman sind charismatisch genug, um diese Eindimensionalität durch darstellerische Kabinettstückchen zu durchbrechen. Sie legen arglose Backpacker rein und bringen sie um. Sie tun es immer wieder. Ende der Geschichte.

Die Macher der Serie sind sich dieses Mangels an charakterlicher Entwicklung ihrer Protagonisten aber bewusst und unternehmen einiges, um die Zuschauer davon abzulenken. Hervorzuheben sind drei, unterschiedlich erfolgreiche Strategien:

Nummer 1: Die Geschehnisse werden nicht chronologisch aufgerollt. Die Handlung springt ständig in der Zeit vor und zurück. Weil sich die sachdienlichen Hinweise darauf meist auf „zwei Monate zuvor“, „drei Monate später“, „vier Monate zuvor“ beschränken, ist „Die Schlange“ nichts zum nebenbei kucken. Ein britischer Rezensent wies darauf hin, sich unterwegs Notizen gemacht zu haben, um halbwegs sicher zu sein, an welcher Stelle der Zeitachse die Handlung sich gerade befand. Keine schlechte Idee. Die Wahrscheinlichkeit, dass der weniger enthusiastische Beobachter den Überblick verliert, ist nicht von der Hand zu weisen. Nur so viel: Es wird hinten raus übersichtlicher.

Nummer 2: Es gibt mächtig Schlagsahne fürs Auge. Insbesondere Aficionados der 1970er werden die Augen nicht mehr vom Bildschirm bekommen. Frisuren, Kostüme, Autos, ja sogar die ästhetische Gestaltung der Bilder selbst, wirken als sei das alles tatsächlich „damals“ und nicht 2019 gefilmt worden. Und als sei das noch nicht genug, gibt es dutzendfach atemberaubende Postkartenaufnahmen, die regelrecht nach der Erfindung von Instagram schreien und für den kleinen Bildschirm Perlen vor die … Sie wissen schon.

Nummer 3: „Die Schlange“ erzählt nicht nur von der Schlange, sondern auch vom jungen niederländischen Diplomaten Herman Kippenberg (Billy Howle), der sich an die Fersen des tödlichen Pärchens heftet und dafür auch Ärger mit der ortsansässigen Polizei in Kauf nimmt, sowie das Ende seiner Karriere riskiert. Tatsächlich entwickelt sich dieser Handlungsstrang zunehmend fesselnder. Und ist zugleich der Hauptgrund, die englische Originalfassung zu meiden. Die Akzente sind eine Zumutung, vor allem weil zu viele Darsteller sie nicht hinbekommen, was leider vor allem für den Briten Howle und den holländischen Akzent gilt.

Tatsächlich ist die erste Episode, die eigentlich die Aufgabe hat, die Zuseher in die Handlung zu verwickeln und die handelnden Personen zu Vertrauten werden zu lassen, damit wir vor dem Fernseher auch die zweite und jede Folge danach anschauen, im Verhältnis die schwächste. Von da an geht es bergauf und spätestens, wenn Tom Shankland die Regiepflichten nach der vierten Folge an Hans Herbots übergeben hat, haben wir es hier mit erstklassigem Fernsehen zu tun!

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