Prizefighter – Die Geburt des Boxens

Land: GB 2022  Regie: Daniel Graham  Dauer: 107 min.  MitRussell Crowe, Matt Hookings, Ray Winstone   Label: SquareOne Entertainment  : 30.12.2022  FSK: 16 – Von Georgios Tsapanos

© SquareOne Entertainment

Nicht mehr ganz junger, nicht mal ansatzweise erfolgreicher Schauspieler, setzt noch einmal alles auf eine Karte. Er schreibt ein Drehbuch und verkauft es unter der Bedingung die Hauptrolle spielen zu dürfen. Nein, wir sprechen nicht von Sylvester Stallone und „Rocky“ (1976). Wir sprechen von Matt Hookings und „Prizefighter“ (2022).

Zeit für einen Einschub: Vor allem das amerikanische Kino und den Boxsport verbindet eine besondere und langanhaltende Liebesgeschichte. Von „Mit harten Fäusten“ (1937, „Kid Galahad“) über „Der freche Kavalier“ (1942, „Gentleman Jim“), Humphrey Bogarts letzten Film „Schmutziger Lorbeer“ (1956, „The Harder They Fall“), den herausragenden „Die Faust im Gesicht (1962, „Requiem for a Heavyweight“), „Die große weiße Hoffnung“ (1970, „The Great White Hope“), „Fat City“ (1972, „Fat City“) und natürlich „Wie ein wilder Stier“ (1980, „Raging Bull“, dem verkannten „Das Comeback“ (2005, „Cinderella Man“) bis zu den beiden mit dem Oscar als Beste Filme des Jahres ausgezeichneten „Rocky“ und „Million Dollar Baby“ (2004) verließ und verlässt ein Boxfilm nach dem anderen die Studios.

Der Nachteil für jeden folgenden: Das Vermächtnis all dieser Klassiker lastet schwer auf den Schultern des Nachzöglings. Die Grundmuster des Subgenres sind längst etabliert: Junger Mann (seltener: Frau) hat Talent, wird entdeckt und gefördert, Erfolg stellt sich ein, er wird entweder von seinem Manager missbraucht oder der Erfolg steigt ihm ganz allein zu Kopf, Niedergang, Läuterung, Comeback (oder auch nicht). Wer auf sich aufmerksam machen will, muss dieses Grundmuster intelligent variieren. Wer zu sehr variiert, verliert die Fans.

Zurück zu Mr. Hookings. Auch seine Verbindung zum Boxen hat mit einer Liebesgeschichte zu tun. Der zu seinem Vater. Der war nämlich der walisische und britische Schwergewichtschampion David „Bomber“ Pearce, den man auch den walisischen – da ist es wieder – Rocky nannte. Und der zu Jem Belcher. Der wurde 1800, als noch ohne Handschuhe geboxt wurde, mit nur 19 Jahren britischer und damit inoffizieller Weltmeister; ein Rekord, den er bis heute hält. Belcher wurde zu einer frühen Pop-Ikone. Sowohl Charles Dickens als auch Arthur Conan Doyle erwähnen ihn. Das Ende war weniger glamourös. Er starb mit nur 30 Jahren vollkommen verarmt in London.

Hookings widmete Belcher bereits 2017 einen 10-minütigen Kurzfilm („The Birth of Boxing“) und machte sich nun daran die ganze Geschichte zu erzählen (oder zumindest fast). Was hätte daraus für ein faszinierender Streifen werden können. Über die Zeit um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in London. Über seine Menschen. Und über die Geburt eines Sports. Leider ist „Prizefighter“ nicht dieser Film geworden.

Das liegt vor allem an Hookings selbst. Ihm fehlt das für die Rolle notwendige Charisma und das darstellerische Vermögen, was umso mehr auffällt als ihm zu Beginn Russell Crowe (als Belchers Großvater und in „Das Comeback“ noch selbst als Boxer im Ring) und danach Ray Winstone (als Belchers väterlicher Freund, Trainer und Manager) zur Seite gestellt werden. Beide müssen sich nicht mal sonderlich anstrengen, um jede Szene zu stehlen, in der sie zu sehen sind.

Es liegt an Hookings Drehbuch, das sich einige historische Freiheiten gestattet und einfach zu simpel gestrickt ist. Man ahnt im Voraus, was als nächstes kommen wird und so kommt es dann auch. Es liegt an der unerquicklichen Produktionsgeschichte, die zwischendrin einen Umzug der ganzen Crew von Wales nach Litauen notwendig machte und die dem Endprodukt anzusehen ist (der Nachspann nennt rekordverdächtige 32 Produzenten). Es liegt an Regisseur Daniel Graham, der angesichts des Übergewichts von Star, Autor, Produzent und Aushilfs-Cutter Hookings irgendwann nicht viel mehr gemacht zu haben scheint als notwendig.

Und es liegt ironischer Weise an dem Aspekt des Streifens, der den größten Stilwillen an den Tag legt: Ben Braham Ziryabs Kamera. In den Kampfszenen erkennbar eine Hommage an Michael Chapmans Arbeit in Scorseses „Wie ein wilder Stier“, hat er sich bei der Farbgebung der Szenen schwer verkünstelt. Vom intensiven Grün der frühen Bilder vom Lande, bis zu der Orgie in Rostbraun in den Innenräumen der Londoner Salons und Trainingshallen, fällt das Farbpanoptikum so sehr ins Auge, dass es von der Handlung regelrecht ablenkt. Nie ein gutes Zeichen.

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Eine Antwort zu Prizefighter – Die Geburt des Boxens

  1. comicfreund schreibt:

    Ruckzuck ist die Lippe dick…

    Gefällt 1 Person

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